Das Buch von allen Dingen

Musiktheater von Clemens Nachtmann
nach dem Roman von Guus Kuijer

Libretto: Manfred Weiß

Alle Aufführungsrechte beim Verlag für Kindertheater Uwe Weitendorf GmbH, Max-Brauer-Alle 34, 22765 Hamburg, www.kindertheater.de

Thomas erkennt Dinge, die andere nicht sehen: Er sieht tropische Fische in den Grachten und wie schön Elisa mit dem Bein aus Leder ist. Er kann zu der Musik von Beethoven schweben, und er fühlt die Magie von Frau Van Amersfoort, die eine Hexe ist. Thomas schreibt alles auf, er schreibt sein Buch von allen Dingen, damit er nichts vergisst. Denn Thomas hat ein Ziel: Er will glücklich werden. Thomas sieht sogar den Herrn Jesus, der ihm anbietet, ihn einfach nur Jesus zu nennen. Aber helfen kann ihm Jesus anscheinend trotzdem nicht. Wenn Thomas’ bigotter Vater zuschlägt, dann schluchzen die Engel im Himmel und die ganze Welt steht still vor Entsetzen. Das Glück fängt damit an, dass man keine Angst mehr hat, sagt Frau Van Amersfoort. Und deshalb beginnt Thomas mutig, dem Vater alle Plagen Ägyptens zu bereiten – und er bekommt dabei Hilfe.

«Guus Kuijer macht aus Thomas Aufzeichnungen eine kurze Geschichte über Angst und Mut. Kein Wort zu viel, keines zu wenig - und treffend von Sylke Hachmeister übersetzt. ... wenn Kuijer von tragischen Umständen erzählt, dann setzt er in seinen leidenden Helden erst einmal eine Energie frei, die den Alltag erträglicher macht. ... Das Zauberwort heißt Courage - Mut, der eigenen Angst vor allmächtig erscheinenden Gewalten ins Auge zu blicken - einer Angst, der jeder einen anderen Namen geben kann.»
(DIE ZEIT, 2006)

«Das Buch von allen Dingen von Guus Kuijer ist selbst so ein kleines Wunder, weil es einen verschluckt in eine strenge graue Welt, die traurig ist, aber nicht ohne Hoffnung. Ein Buch, das einen weinen lässt und lachen, das respektlos ist, aber voller Poesie. Das einen irgendwann entlässt mit dem Gefühl, dass es geht, das mit dem Glücklichwerden.»
(1001 Buch, 2006)

Auszeichnungen:

Gustav-Heinemann-Friedenspreis (2007)
Deutscher Jugendliteraturpreis, Nominierung (2007)
Die besten 7 Bücher für junge Leser (DeutschlandRadio / Focus) (2006)
LUCHS DES JAHRES (DIE ZEIT / Radio Bremen) (2006)
Goldener Griffel (NL) (2005)

Altersgruppe:

für Kinder ab 10 Jahren
Durch den Inhalt und die literarische Form der Romanvorlage sowie durch die Art der Vertonung eignet sich das Werk jedoch auch hervorragend für den Abendspielplan

Besetzung:

4 H – 5 D und Chor
jugendlicher Tenor, Sopran (2), Mezzosopran, Alt
Orchester mit 12 Instrumentalisten/Instrumentalistinnen

Länge:

ca. 90 Minuten

Zur Uraufführung frei

(erhältlich ab Ende 2014)

Rollen:

Thomas Klopper (jung): Jugendlicher Tenor
Thomas Klopper (alt): Schauspieler als Erzähler
Mutter: Schauspielerin (Mezzosopran)
Vater: Schauspieler
Margot: Sopran
Elisa: Sopran
Frau van Amersfoort: Alt
Tante Pie: Sopran (Chorsolo)
Jesus/Pfarrer: Schauspieler
Chor Kirchengemeinde, Kinder, Tanten

Orchester:

Flöte, Klarinette, Saxophon, Trompete, Posaune, Schlagzeug, Keyboard, 2 Violinen, Viola, Violoncello, Kontrabaß, (mit Wechselmöglichkeit bei den Bläsern)

Ort:

Eine Stadt in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts.

Zur Musik:

Das Buch von allen Dingen eines kleinen Jungen, der glücklich werden möchte und dem es auch gelingt, weil er einen Blick auf die Dinge hat, unter dem diese lebendig und beredt werden, lädt von sich aus dazu ein, eine spezifische Form der Klangrede zu erfinden: eine Musik, die die Klänge als Lebewesen begreift und ihr Innenleben nach außen kehrt und die, indem sie derart dem Leiden eines gequälten Kindes ihre Stimme leiht, das verspricht, «was der uralte Einspruch der Musik versprach: Ohne Angst Leben.» (Adorno) Denn Thomas weiß von Frau Van Amersfoort: das Glück fängt damit an, dass man keine Angst mehr hat.

Guus Kuijer erzählt die Geschichte von Thomas, der eine unglückliche Kindheit hatte, ganz und gar unprätentiös. So selbstverständlich und bedingungslos scheint seine Erzählung zu sein, wie das einzige Ziel, das Thomas hat: glücklich zu werden. Was 'unerhört' ist, das Leid eines unglücklichen Kindes, vermag Guus Kuijer dabei in ein eindringliches Universum von Klängen zu verwandeln, das nach musikalischer Vergegenwärtigung geradezu verlangt. Das Buch von allen Dingen ist ganz von Musik erfüllt und gibt im Gang der Erzählung von sich aus einem so deutlichen Rhythmus vor, dass sich eine konventionelle «Vertonung» verbietet. Denn die Frage, auf welche Weise – also tonmalerisch-nachahmend, quasirhetorisch, ausdeutend-charakterisierend oder konterkarierend – die Musik sich auf Text und Handlung bezieht, stellt sich erst gar nicht: die Komposition wird dem Buch folgen, sie wird es seiner Anlage entsprechend nicht vertonen, sondern zu sich selbst führen, es also musikalisieren.

Das Buch von allen Dingen, an dem der kleine Thomas schreibt, ist selbst eine zentrale Figur der Erzählung. In der Vermessenheit, mit der es «alle Dinge» enthalten soll, verkörpert es einen kindlichen Gegenentwurf zur Bibel, die dem Vater als absolute Berufungsinstanz dient. Während es für den Vater nur eine Wahrheit gibt, die der Bibel, sieht Thomas Dinge, die andere nicht sehen und erlebt Gefühle, die viel differenzierter sind als die eindimensionale Innenwelt des Vaters. Sein «Buch» ist für Thomas der Speicher all dieser Erinnerungen und zugleich wird es im Verlauf der Geschichte eine Dokumentation seines Weges zum Glück.
Das Buch und der Prozeß seiner Hervorbringung, das Schreiben, ist selbst ein rhythmischer und klanglicher Vorgang – und dementsprechend wird die musikalische Grundfolie eine «schreibende», manchmal zögerlichere, manchmal entschiedenere Bewegung bilden.
In einer spezifischen, verhaltenen und zurückgenommenen Klanglichkeit kann diese «schreibende» Musik auf die Atmosphäre der Geschichte reagieren, sie gestalten und in sie eingehen.

Während es für den bigotten Vater keine Musik gibt, sondern höchstens eintönige Litaneien und Choräle beim sonntäglichen Gottesdienst, ist der Weg zum Glücklichwerden für Thomas eng mit sehr vielfältiger Musik verbunden: Mit den Geigen und einem Rauschen in seinem Kopf, wenn er bei der Nachbarin Frau Van Amersfoort Grammophonplatten hört, mit dem knirschenden Klang von Elisas Lederbein, mit dem Weinen der Engel im Himmel, wenn ein Mann seine Frau schlägt oder mit dem Singen einer Sicherheitsnadel, mit der er einen Brief in seinem Hemd befestigt hat, der der Geschichte eine unerwartete Wende geben wird …

Die Nähe oder Entfernung der einzelnen Personen zur Musik hat in der Geschichte also von Anfang an eine dramaturgische Funktion inne. Einige Figuren scheinen immer schon an jenem Ort zu sein, «von welchem Gesang notwendig aufsteigt» (Ivan Nagel): Margot summt unablässig, Frau van Amersfoort liebt Beethoven, Tante Pie schmettert ihr «Hallöchen», Elisas Mutter singt im Traum, die Engel im Himmel weinen und jubeln.
In der Musikalisierung des «Buchs» wird das Singen also seine auratische Qualität, die ihm ohnehin unweigerlich anhaftet, bis zu einem gewissen Grad behalten. Doch wird das «Buch» auch deshalb keine herkömmliche «Oper» werden, sondern veritables Musiktheater, weil nicht alle dramatis personae Singrollen haben werden. Denn so wie es immanent musikalische Figuren gibt, gibt es im Gegensatz dazu auch Figuren, denen die Musik gänzlich fehlt, denen sie abhanden kam oder denen sie nicht zufällt. Weil ihnen die Fähigkeit, sich musikalisch, mithin «auratisch» zu artikulieren sind einige Figuren mit Schauspielerinnen bzw. Schauspielern besetzt: Der Vater, der aus eigener Angst heraus seine Familie prügelt, wird nicht singen. Auch die Mutter, die das Prügeln zu lange erträgt, wird erst im Verlauf des Stückes zu kleinen Klängen finden. Der Herr Jesus schließlich ist erstens keine große Hilfe und lebt außerdem im Himmel – wer kann schon wissen, wie dort gesungen wird.
In Kontrast zum Kind und als Erzähler führt der der erwachsene Thomas durch die Handlung. Da seine Texte für das junge Publikum unbedingt verständlich sein müssen, ist auch er durch eine Sprechrolle charakterisiert.
Einerseits wird es also eine dramaturgisch motivierte und hörbare Abstufung zwischen dem Singen und dem Sprechen geben. Auf der anderen Seite wird nicht nur angestrebt, die breite Palette an Möglichkeiten auszuschöpfen, die die stimmliche Artikulation zur Verfügung stellt, sondern das Sprechen und Singen in seinen verschiedensten Abstufungen und Übergangsformen so mit den Leit-Klängen des Stücks (das Rauschen, das Knirschen, die vielen hohen Geigen, das Kreischen der Sicherheitsnadel etc.) zu verschmelzen, daß daraus tatsächlich eine neue Form der «Klangrede» entsteht (um einen etwas belasteten musiktheoretischen Begriff zu bemühen). D.h. technisch: die Darsteller, ob Sänger oder Schauspieler, werden in ihren spezifischen Artikulationen mit einzelnen Instrumenten oder nach Klangspezifika zusammengestellten Instrumentalgruppen zusammen geführt und zu einem gewissermaßen «neuem Instrument» zusammengesetzt. Zur Realisierung dieser spezifischen Klanglichkeiten bedarf es eines Ensembles, das aus 12 Spielern (Flöte, Klarinette, Saxophon, Trompete, Posaune, Schlagzeug, Tasteninstrument, 2 Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass mit Wechselmöglichkeit bei den Bläsern) bestehen wird.

Clemens Nachtmann

Zum Inhalt:

Erster Akt:

Thomas sieht Dinge, die sonst niemand sieht: Blätter, die von Bäumen fallen, die Schönheit von Elisa mit dem Bein aus Leder, wie lieb seine Mutter ist und wie grausam sein Vater.
In der Sonntaglitanei versteht er den Pastor falsch. Er singt «Lahmer Ziegenherr, die Arme, die mach uns gesünder» anstatt «Barmherziger Herr, erbarme dich über uns Sünder». Sein Vater verprügelt ihn dafür mit dem Holzlöffel. «Gott sagte kein einziges Wort. Die Engel versuchten ihre Tränen zu trocknen, doch ihre Taschentücher waren so nass, dass es selbst in den Wüsten zu regnen begann.»

Zweiter Akt:

Thomas besucht Frau Van Amersfoort, die überall als Hexe gilt. Dort trinkt er rote Limonade und schwebt zu der Musik aus dem Koffergrammophon. Der Herr Jesus erscheint ihm dabei und ist eigentlich ein ganz freundlicher Kerl.
Thomas erklärt Frau Van Amersfoort, dass er später mal glücklich werden will. Und daraufhin schenkt sie ihm ein Buch, das von einem Jungen handelt, der keine Angst mehr hat: «Weißt du, womit das Glück anfängt? Damit, dass man keine Angst mehr hat.»
Thomas beginnt gleich damit und schreibt Elisa wie schön sie sei und dass sie später bestimmt mal in einem Schloss wohnen würde.
Beim Abendessen verbietet der Vater Thomas, das Buch von Frau Van Amersfoort zu lesen, weil es vom Kommunisten Erich Kästner geschrieben sei. Er liest stattdessen aus der Bibel vor: Die Plagen Ägyptens.
Der Herr Jesus erscheint wieder und hat keine Ahnung, wie es um Thomas' Familie bestellt ist.

Dritter Akt:

Thomas findet einen Brief von Frau Van Amersfoort an seinen Vater: «Ein Mann, der seine Frau schlägt, entehrt sich selbst» steht darin geschrieben. Er traut sich nicht, ihn dem Vater zu zeigen und versteckt den Brief.
Elisa hat sich über ihren Brief sehr gefreut und küsst Thomas auf die Wange! Thomas bittet Frau Van Amersfoort um eine Flasche roter Limonade, um das Aquarium damit zu färben: Er will dem Vater alle Plagen Ägyptens bereiten! Der Vater tobt vor Wut und prügelt auf seine Frau ein, die sich schützend vor Thomas gestellt hat.
Thomas bittet Gott, ihm das niemals zu verzeihen und ist ein bisschen wütend auf den Herrn Jesus, der ihm keine Hilfe ist. Dafür bietet ihm dieser aber an, ihn ruhig nur Jesus zu nennen.
Nachts kommen unzählige Frösche zum Haus der Familie Klopper, die zweite Plage Ägyptens. Thomas aber will nicht riskieren, dass die Mutter nochmals geschlagen wird und bittet die Frösche, wieder zu verschwinden. Zum ersten Mal spricht er offen mit seiner Schwester Margot. Und Margot rät ihm, Frau Van Amersfoorts Brief dem Vater zu zeigen.

Vierter Akt:

Tante Pie kommt zu Besuch und berichtet empört, dass ihr Mann – der Bruder des Vaters – sie geschlagen habe, weil sie eine Damenhose gekauft habe. Im Lauf des Gesprächs entdeckt sie, dass auch der Vater seine Familie schlägt. Sie beschimpft ihn wütend.
Frau Van Amersfoort sagt, die Sache mit den Fröschen sei nur ein kleiner Jux gewesen; sie ist wohl doch eine sehr mächtige Hexe …
Thomas will einen Vorleseclub gründen und als ersten Programmpunkt den Psalm 22 aufsagen. Das findet Frau Van Amersfoort etwas übertrieben und ändert das Programm kurzerhand.
Elisa freut sich auf den Vorleseclub und Thomas ist ermutigt. Ob er sich endlich trauen wird, dem Vater den Brief zuzuspielen?
Als der Vater an diesem Tag die Bibel aufschlägt, findet er ihn, den Brief! Die Situation eskaliert und er droht Thomas mit den Holzlöffelprügeln: «Eine heißer Wind erhob sich, der die Erde versengte. Die Blumen verdorrten und die Tiere flohen. Alles war wüst und leer.» Da steht Margot plötzlich auf und setzt dem Vater das Fleischmesser an die Kehle: «Sie sah aus wie ein Engel. Der gefährlichste Engel des Himmels. Einer mit flammendem Schwert.»
Der Vater flüchtet, die Mutter ist entsetzt. Und Thomas umarmt Margot sehr fest.

Fünfter Akt:

Der Vorleseclub soll bei Familie Klopper stattfinden! Alle kommen, Frau Van Amersfoort bringt noch ein paar Hexen mit und Tante Pie ein paar Tanten, Elisa will neben Thomas sitzen und die Mutter ist wunderschön an diesem Abend.
Thomas trägt ein Gedicht vor, «Herr von Süße» von Annie M.G. Schmidt, es wird Musik aus dem Koffergrammophon gespielt, die Gäste tanzen. Thomas ist glücklich!
Nur der Vater fühlt sich unwohl und Thomas sieht, dass er Angst hat, eine Heidenangst vor der Fröhlichkeit der anderen. Er trifft Jesus ein letztes Mal:
Nur die Musik ist zu hören.
THOMAS Jesus?
JESUS Ja, Thomas?
THOMAS Kannst du Papa helfen?
JESUS Ich fürchte, nein.
THOMAS Vater hat Angst vor Fröhlichkeit. Vater hat eine Heidenangst.
Nur die Musik ist zu hören.
THOMAS Glaubst du, Elisa wartet auf mich?
JESUS Ich glaube, ja.
THOMAS Ist es wohl gruselig, wenn sie ihr Lederbein abmacht?
JESUS Ach was. Da hast du schon ganz andere Sachen erlebt.
THOMAS Ich werde sie nämlich heiraten.
JESUS Meinen Segen hast du.
Dunkel.

Auszug aus dem Libretto:

Ouvertüre

Licht auf das Buch, das ein dickes Schulheft ist und vorne auf der Bühne liegt.

Erster Akt

1
Licht auf einen Baum.
Thomas tritt auf mit Schulranzen. Er bleibt stehen, betrachtet den Baum.
Thomas (alt) erscheint.
THOMAS (alt) Thomas sah Dinge, die sonst niemand sah.
Plötzlich Wind und Hagel. Der Baum verliert seine Blätter.
Licht auf den Baum aus.

2
Licht auf die Tür von Familie Kloppers Haus.
Thomas Mutter steht in der Tür.
THOMAS Es ist auf einmal Herbst. Alle Blätter sind von den Bäumen gefallen.
MUTTER Wie kommst du darauf?
Licht auf einen anderen Baum mit Blättern. THOMAS sieht die Blätter am Baum Hier nicht. Aber in der Janvan-Eyck-Straße.
MUTTER glaubt ihm nicht ganz Ach so.
Licht auf Mutter und Baum aus.

3
Thomas allein. Dann Elisa.
THOMAS geht nach vorne zum Buch Ich sah Dinge, die sonst niemand sah. Ich wusste nicht, wie das kam, aber es war schon immer so gewesen. Er ist beim Buch, nimmt seinen Stift und schreibt. THOMAS (alt) Es hagelte so stark, dass es die Blätter von den Bäumen riss. Das ist wirklich passiert, in der Jan-van-Eyck-Straße im Sommer 1951, als ich neun Jahre alt war.
Thomas schaut einen Moment nach vorne
Elisa mit knirschendem Lederbein kommt und winkt ihm zu.
ELISA In der Kanalisation gibt es Krokodile.
Thomas bekommt so etwas wie einen elektrischen Schlag, weil er unverhofft sieht, wie schön sie ist.
THOMAS Wirklich? Hast du sie selber gesehen?
ELISA Eins. So klein wie mein kleiner Finger. Im Klo. Sie hält ihre Hand hoch, an der nur der kleine Finger ist.
THOMAS erschrickt Oh!
Elisa winkt ihm zu und geht.
In Thomas Kopf klingeln fröhliche Glöckchen.
THOMAS Sie ist schön. Und sie sieht Dinge, die sonst niemand sieht. Sie versteht, was ich sehe. Wo wohl ihre anderen Finger geblieben sind? Wenn es als Bühnenhintergrund eine Opera gibt: Projektion Sonnenschein. Sonnen-Motiv/ Spatzen trompeten / weiter Schreib-Motiv Später werde ich glücklich.
Eine Uhr schlägt halb sechs. Laute und feste Schritte sind zu hören. Eine Tür geht zu.
THOMAS (alt) Es ist halb sechs –
THOMAS - und ich weiß immer noch nicht, wovon mein Buch handelt.
Lichtwechsel.

4
Küche der Familie Klopper. Gedeckter Tisch, Abendessen. An der Seite ein Aquarium.
Vater, Mutter und Margot. Thomas füttert die Fische und setzt sich dann.
THOMAS Wovon handeln Bücher eigentlich?
MARGOT Von der Liebe und so. Sie kichert
VATER Alle wichtigen Bücher handeln von Gott.
MUTTER Sie handeln von der Liebe und von Gott.
Der Vater sieht sie sehr streng an. Sie wird rot.
VATER Wer liest in diesem Hause Bücher?
MUTTER Du.
VATER Wer weiß also, wovon Bücher handeln?
MUTTER Du.
VATER Merkt euch eins. Es gibt nur ein richtiges Buch auf der Welt und das ist die Bibel.
MARGOT Und die Bücher, die wir für die Schule lesen müssen?
VATER Wurden von sündigen Menschen geschrieben, es sind Schundbücher.
MARGOT Aha. Sie kichert.
THOMAS In der Jan-van-Eyck-Straße hat es so stark gehagelt, dass die Blätter von den Bäumen gefallen sind.
MUTTER sieht ihn lächelnd an
Die Familie isst schweigend. Margot kichert.
Das Geräusch der Messer, Gabeln, Teller und Gläser.
Lichtwechsel.

Das Buch von allen Dingen

Buch:
Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg

Cover-Illustration:
Michael Sowa

Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung. Die Pädagogik wird ermöglicht durch die Robert Bosch Stiftung.

Gefördert von der Ernst von Siemens Musikstiftung.

Die Pädagogik wird ermöglicht durch die Robert Bosch Stiftung.

Clemens Nachtmann

Clemens Nachtmann wurde 1965 in Neustadt a.d. Waldnaab (Bayern/Deutschland) geboren. 1986 zog er nach Berlin, wo er 1991 ein Studium der Politikwissenschaft abschloss (bei Johannes Agnoli).
1985/86 Beginn des Kompositionsstudium bei Wilhelm Killmayer in München, Fortsetzung seit dem Wintersemester 1997/98 an der HdK/UdK Studium bei Friedrich Goldmann (Komposition) sowie bei Gösta Neuwirth und Hartmut Fladt (Musiktheorie). Seit 1998 Beschäftigung mit elektronischer Klangverarbeitung. Konsultationen bei Mathias Spahlinger, Richard Barrett und Helmut Lachenmann. 2003 Abschluss des Kompositionsstudiums und Aufnahme in die Meisterklasse bei Prof. Goldmann. 2004 zog Clemens Nachtmann nach Graz, um bei Beat Furrer ein Aufbaustudium in Komposition zu beginnen (im Rahmen eines DAAD-Postgraduiertenstipendiums).

Seit den 80er Jahren zahlreiche Vorträge sowie Veröffentlichungen in diversen Zeitungen und Zeitschriften zu gesellschaftstheoretischen, politischen, kulturellen und musikalischen Fragen.
Lehraufträge für Musik des 20. Jahrhunderts, Gehörschulung und Klavierpraxis an der UdK, seit Oktober 2005 Lehrtätigkeit an der Kunstuniversität Graz für Musiktheorie und Gehörbildung. Mitglied der Komponistenvereinigung «die andere saite». Seit März 2010 Geschäftsführer der Sektion Steiermark der IGNM Österreich.

Auszeichnungen:

3. Preis für das Ensemblestück «Intrecci» beim Hanns-Eisler-Wettbewerb für Komposition und Interpretation 2001
Kompositionsstipendium des Berliner Senats für das Ensemblestück "battery park/NY" für die Saison 2004/2005.
2. Preis für das Ensemblestück «O mei» beim Kompositionswettbewerb der «Weimarer Frühjahrstage für zeitgenössische Musik» 2004.
Preisträger beim Boris-Blacher-Preis für Komposition der Neuen Musik 2004, im Anschluss daran 2005 Portraitkonzert beim Festival «Ultraschall» sowie beim Frankfurter Festival «Auftakt».
2. Preis beim Gustav-Mahler-Kompositionspreis der Stadt Klagenfurt 2008.

Auftrag der Ensembleakademie «Impuls» (Graz) für ein Ensemblewerk mit dem Klangforum Wien. Aufführungen bei der "Klangwerkstatt Kreuzberg", im Rahmen der Reihe "Unerhörte Musik" im Berliner BKA, beim Berliner Festival für neue Musik »Ultraschall”, beim WDR Köln, beim Berliner Festival «MaerzMusik», beim Kongreß «The music of 21st century europe» in Wien, beim Festival «Impuls» Graz sowie im Rahmen der Abonnementskonzerte des Klangforum Wien in Wien, beim Festival «música viva» in Portugal, im Austrian Cultural Forum New York.

Veröffentlichungen (u.a.):

«Tafelmusik» (Elektronische Komposition) auf der DVD «50 years Studio TU Berlin» (2005) Geplant: Ensemblestück «schnitte» auf Vol.2 der CD-Reihe mit Komponisten der «anderen saite»
«Mondstrahlen bei Tage». Clemens Nachtmanns Komponieren gegen die Leere der Zeit. Einstündiges Portrait von Florian Neuner, ausgestrahlt in Deutschlandradio Kultur am 16.10.2007

www.clemensnachtmann.mur.at

Clemens Nachtmann

Foto: privat

Manfred Weiß

Geboren in Kassel. Studium der Theater- und Kommunikationswissenschaften in München, Regieassistenzen in Essen, Freiburg und Mannheim.

Seit 1992 freischaffend als Regisseur, Autor und Schauspieler. Inszenierungen von Schauspiel und Opern in Freiburg, Mannheim, Dortmund, Bochum, Hannover, Gelsenkirchen, Tel Aviv, Basel, Stuttgart u.v.m. 2002 bis 2006 Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer der Jungen Oper der Staatsoper Stuttgart.

Stücke: Halbes Leben oder Eins ist Noth (1999); Deine Chance! (2000) und Zur Sonne, zur Freiheit! (2003, alle UA Nationaltheater Mannheim; erschienen im Suhrkamp Theater Verlag). Figaro, kurz vor der Hochzeit (UA 2006 Freilichtspiele Schwäbisch Hall, Musik: Mike Svoboda).

Libretti u.a. Erwin,das Naturtalent (Musik: M. Svoboda; UA 2005 Junge Oper der Staatsoper Stuttgart; Der unglaubliche Spotz (Musik: M.Svoboda; UA 2007 Theater Freiburg); Prinzessin Ulla und die Schöne Lau (Musik: Thomas Stiegler; UA 2009 WLB Esslingen).

Lehraufträge u.a. an der Universität Mozarteum Salzburg, der Schola Cantorum Basilensis (Basel) und der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart.

www.manfred-weiss.com

Manfred Weiß

Foto: Nik Schölzel

Guus Kuijer

Guus Kuijer wurde 1942 in Amsterdam geboren, arbeitete zunächst als Lehrer und ist seit 1973 als freier Schriftsteller tätig. Für seine Kinder- und Jugendbücher wurde er international vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Niederländischen Staatspreis für sein Gesamtwerk und bereits zweimal mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis.

Bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises für den ersten Band der Polleke-Geschichten, "Wir alle für immer zuammen», bedankte sich Guus Kuijer mit folgenden Worten:

«Meine sehr verehrten Damen und Herren, Polleke hat mir einen Brief mitgegeben und den lese ich jetzt vor: Mein Vater sagt, dass es immer sehr gut ist, wenn ein Holländer in Deutschland etwas gewinnt. Dass es dann immer ein großes Fest in Holland gibt und dass man sogar von der Königin empfangen wird. Ich hoffe also, dass ich in Deutschland gewinne und dass ich von der Königin zur Ritterin geschlagen werde. Aber wenn ich nicht gewinne, werde ich mein Bestes tun, die Deutschen noch immer sehr nett zu finden. Es wird schwer sein, aber ich weiß, dass ich es kann. Nicht jeder kann Holländer sein und das ist schon traurig genug für sie. Die Deutschen können nichts dafür, dass sie Ausländer sind. Die sind nun mal im Ausland geboren. Man sollte darum die Deutschen ein bisschen trösten und sie nicht immer besiegen wollen. Die haben nicht mal eine Königin! Also: ob ich gewinne oder verliere, ich liebe die Deutschen!»

Guus Kuijer

Foto: Jaco Klamer

 

Musiktheaterpädagogisches Angebot zur Uraufführung

DAS BUCH VON ALLEN DINGEN

Konzept: Mira Ebert und Christian Zech

Guus Kuijers mehrfach ausgezeichnetes Buch behandelt ein sensibles Thema auf sehr sensible Weise: Häusliche Gewalt. Das Stück kann somit beitragen, die notwendige Diskussion über Gewalt gegen Kinder und Jugendliche anzuregen mit den metaphorischen Mitteln der Musik und des Theaters.

Begleitend zu Aufführungen des Stückes stellt indieoper! Material für Lehrer bereit, das im fächerübergreifenden Unterricht zur Vorbereitung auf den Vorstellungsbesuch angewendet werden kann. Durch die intensive Beschäftigung mit den Charakteren und Situationen des Musiktheaters «Das Buch von allen Dingen» sollen die Schüler einen spielerisch-kreativen Zugang zum Stoff finden.

Dabei ist entscheidend, dass die Jugendlichen möglichst selbständig agieren, Ideen entwickeln und Erkenntnisse gewinnen sollen. Das Angebot richtet sich an Jugendliche ab 13 Jahren, eine Altersgruppe, für die es kaum ein adäquates Angebot an Musiktheater und begleitender Pädagogik gibt.

Bestandteil des Materials werden auch vom Komponisten Clemens Nachtmann speziell erstellte musikalische Beispiele und Übungen sein.

Für Theater mit musiktheaterpädagogischen Teams kann das Material als Anregung und Grundlage zur weiteren Ausarbeitung dienen.

Die Initiative, Guus Kuijers «Buch von allen Dingen» als Vorlage für ein Musiktheaterstück zu bearbeiten, ging von indieOper! aus und konnte in Kooperation mit «Junge Töne», einem Imprint des Verlag für Kindertheater Uwe Weitendorf in Hamburg und der Förderung von Komposition und Libretto durch die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung realisiert werden.

Die Pädagogik wird ermöglicht durch die Robert Bosch Stiftung.